Mobbing in der Schule - Teil 1: Prävention und Bekämpfung

Die Dynamik der Bildungslandschaft ändert sich stetig, doch manchmal übersehen wir dringende Themen wie Mobbing. Trotz fehlender einheitlicher Definition ist es ein weitverbreitetes Problem. Dieser Artikel beleuchtet das komplexe Thema Mobbing, seine Auswirkungen und mögliche Präventionsmaßnahmen.

In den letzten Jahren gab es viele Diskussionen zur Neugestaltung der schulischen Landschaften, zur Erprobung und Integration technologischer Entwicklungen ins Leben der Lernenden, zum kulturellen Wandel und zu pädagogischen Bildungsprozessen der heutigen Generation.

Doch allzu oft vergessen wir, welche Themen eine kontinuierliche öffentliche Aufmerksamkeit verdienen.

Laut dem deutschen Bericht der Children's Worlds+ Studie "Wie wir leben und was wir brauchen" von 2019 gaben 60 Prozent aller befragten Kinder und Jugendlichen an, innerhalb des letzten Monats gehänselt, ausgegrenzt oder absichtlich geschlagen worden zu sein.

Studien und frei zugängliche wissenschaftliche Arbeiten über das Thema Mobbing zeigen, dass es keine einheitliche Definition gibt, was die Identifikation von Mobbing deutlich erschwert. Wie aber kann man diese vielschichtige menschliche Aggression und auch die eigene Wahrnehmung von Mobbing in Worte fassen?

Was unterscheidet Mobbing von Konflikten?

Der entscheidende Unterschied liegt im Machtgefälle zwischen den Beteiligten. Das Opfer ist immer schwächer als der Täter und der Terror hat einen langanhaltenden Charakter. Derjenige, der schikaniert wird, erleidet psychische und physische Qualen.

Wenn sich Kinder wegen einer Kleinigkeit streiten und sich gegenseitig beschimpfen, ist das noch kein Mobbing, sondern ein Konflikt. Während Konflikte als normaler Teil der Entwicklung einer Gruppe angesehen werden, ist Mobbing eine unangemessene und schädliche Form von Verhalten, die nicht toleriert werden sollte.
In einem Konflikt sind beide Seiten gleich stark und können gleichermaßen auf die Situation einwirken: physisch, hierarchisch, sozial oder finanziell.

Konflikte entstehen spontan. Sie werden nicht geplant und gehen mit dem Ausbruch aufgestauter Emotionen einher. Mobbing ist die geplante und systematische Demütigung eines Kindes durch einen oder mehrere Täterpersonen.

In einem Konflikt sind beide Seiten für das Geschehen verantwortlich. Im Falle von Mobbing ist das Opfer nicht schuld und hat die Situation nicht ausgewählt.
Konflikte dauern nicht lange. Die Parteien versuchen, sie so schnell wie möglich zu lösen. Mobbing hingegen ist eine regelmäßig wiederkehrende Handlung mit dem Ziel, das Opfer absichtlich emotional oder körperlich zu erniedrigen.
Konflikte können gelöst werden. Das ist der wichtigste Unterschied - Im Gegensatz zu Konflikten kann Mobbing (im besten Fall) nur gestoppt werden.

Was ist Mobbing?

Im Unterschied zum Konflikt spricht man von Mobbing, wenn aggressive Handlungen häufiger und regelmäßig auftreten oder die Gruppe der Täter größer wird, wenn ein Kind wegen seiner Andersartigkeit, seiner Armut, seines Aussehens, seines Körpergewichts, des Berufs der Eltern, seiner sozialen oder nationalen Zugehörigkeit verspottet, ausgegrenzt oder einfach ignoriert wird.

Mobbing ist Einschüchterung, physische oder psychische Gewalt, die darauf abzielt, eine andere Person in Angst zu versetzen. Es handelt sich um einen Prozess der bewussten grausamen Behandlung zwischen Kind und Kind, Kindergruppe und einem Kind oder Lehrkraft und Schülern. Aggressionen können in verschiedenartigen Intensitäten gezeigt werden, wodurch bewusst oder unbewusst unterschiedliche Interpretationen möglich sind.

Mobbing ist nicht immer ein körperlicher Angriff, oft beginnt es mit psychischer Gewalt, wie dem Verbreiten von Gerüchten und Klatsch, Manipulation und Einschüchterung („gaslighting“), sozialem Missbrauch oder psychischem Terrorismus.

Der Begriff Mobbing umfasst sechs Unterkategorien von psychischer oder physischer Gewalt, welche Täterinnen und Täter gebrauchen, um das Opfer zu quälen.

  1. Körperliche Gewalt: Regelmäßige Kämpfe (Schieben, Stoßen, Schubsen, Tritt, Ohrfeigen, Schläge usw.) in der Gruppe von Kindern
  2. Bedrohungen und Einschüchterungen: Eine Bedrohung wird nicht öffentlich ausgesprochen, es handelt sich um eine geheime, persönliche Gefährdung. Eine Bedrohung beinhaltet die Unmöglichkeit, um Hilfe zu bitten: "Dir wird sowieso niemand glauben", "Wenn du dich beschwerst, werde ich dich finden und verprügeln", „Versuch mal, dich zu beschweren!“
  3. Erpressung: Erpressung geht oft einher mit Drohungen körperlicher Gewalt oder der Verbreitung persönlicher Informationen. Das Opfer wird aufgefordert, Geld zu zahlen, dazu gezwungen, Geld oder Gegenstände für den Aggressor zu stehlen, die Pflichten anderer Schüler zu erfüllen usw.
  4. Verbales Mobbing: Verbales Mobbing hat langfristige Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Kindern, einschließlich sozialer Isolation, Depressionen und Selbstmordgedanken. Soziale Medien haben das Ausmaß des Mobbingproblems verstärkt, was es für Kinder und Jugendliche noch schwieriger macht.
  5. Ignoranz: Das Opfer wird aus der Gruppe ausgestoßen und ignoriert. Zusätzlich werden kompromittierende Notizen, beleidigende Aufschriften an öffentlichen Orten oder mündliche Beleidigungen verbreitet.
  6. Sachbeschädigung: Beschädigung von Eigentum, wodurch Kleidung, Bücher oder andere persönliche Gegenstände beschädigt, gestohlen oder versteckt werden. Beschädigung kann als eine Form des Mobbings betrachtet werden, aber nur in Verbindung mit anderen Formen der Aggression oder wenn solche Handlungen regelmäßig wiederholt werden.

Mit Zunahme der digitalen Kommunikation und dem rasanten Wachstum von Social Media-Konsum hat sich zudem eine weitere, neue Form von mobbing entwickelt und verbreitet: Cybermobbing. Dieses findet im virtuellen Raum statt und ermöglicht den Akteuren eine Vielzahl von Angriffsmöglichkeiten gegen ihre Opfer.

Da Cybermobbing eine sehr komplexe Unterkategorie innerhalb des Themas Mobbing darstellt, wird dieses Thema gesondert und ausführlich im nächsten Beitrag des bildung.digital.forums behandelt.

Wer sind die Opfer und Täter von Mobbing?


Jedes Kind kann Opfer von Mobbing werden, unabhängig vom Wohlstand der Familie, der Fürsorge der Eltern und dem Entwicklungsstand des Kindes. Besonders häufig werden aber gute oder schlechte Schüler, Kinder anderer Nationalitäten, Kinder mit Behinderungen oder körperlichen Beeinträchtigungen zu Mobbingopfern.

Die meisten Fälle von Mobbing ereignen sich zwischen dem siebten und fünfzehnten Lebensjahr. Ab dem neunten Schuljahr nimmt zumindest die Anzahl der Opfer etwas ab, aber die Anzahl der Täter bleibt unklar. Besonders häufig tritt Mobbing während Schulwechselzeiten auf. Die Art des Mobbens variiert je nach Alter. Während jüngere Schüler oft körperlich gemobbt werden, mobben ältere Schüler auf subtilere Art, weil sie dadurch weniger oder keine strafrechtlichen Folgen fürchten. Auch in Bezug auf die Schulformen gibt es mögliche Unterschiede in der Art des Mobbens. Diese Erkenntnisse wurden in dem Dokument "Mobbing unter Kindern und Jugendlichen" von Carmen Trenz festgehalten, welches auf www.praeventionstag.de herausgegeben wurde.

Klaus Wahl etablierte 2009 das Modell der Analyseebenen für Aggression und Gewalt. Diese geschieht auf der individuellen, interpersonellen, kontextuellen und gesellschaftlichen Ebene. So sind oftmals körperlich schwache Jugendliche, Kinder mit geringem Selbstwertgefühl oder übertriebener Schüchternheit sowie zu verwöhnte Kinder anfällig für Aggressionen. Neben den Haupttätern spielen auch die übrigen Schülerinnen und Schüler eine bedeutende Rolle in einer Mobbingsituation. Ihr Verhalten kann entweder dazu beitragen, die Taten der Mobber zu unterstützen oder sie zu unterbrechen. In dem Artikel der Bundeszentrale für politische Bildung „Die Rolle der Mitläufer und Zuschauer beim Mobbing" wird ausführlich die Wichtigkeit dieser Gruppe von Mitläufern, Duldern sowie Zu- und Wegschauern thematisiert.

Für Kinder kann es herausfordernd sein, sich aus Mobbing-Situationen in ihrer Klasse herauszuhalten. Das Einnehmen einer passiven Rolle als Zuschauer oder Wegschauer scheint vermeintlich sicherer, kann allerdings ein erhebliches psychologisches Trauma verursachen, da die Kinder Angst haben und sich in einem komplexen Dilemma befinden, in dem sie handlungsunfähig sind.

Porträt eines Täters

Ein klar definiertes Täterbild gibt es nicht. Jede Täterin und jeder Täter ist eine individuelle Person mit eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Handlungsweisen, Motiven, Philosophien und Glaubenssätzen. Eine Pauschalisierung würde das individuelle Verhalten und die Motive des Täters ignorieren und die Möglichkeiten einer effektiven Intervention verringern.

Es gibt aber durchaus Merkmale, die tendenziell häufiger auftreten: Schwierigkeiten beim Ziehen persönlicher Grenzen in Beziehungen zu anderen, Missbrauchserfahrungen, eigene Verletzlichkeit durch fehlende Elternliebe, geringes Selbstwertgefühl und mangelnde Selbstachtung. Mobbingakteure sind oft Kinder, die in gewisser Form selbst leiden oder gelitten haben, die mit einem Gefühl innerer Unzufriedenheit kämpfen, das sie aber nicht erkennen. Unterschwellige Motivationen bringen Täter dazu, ihre Energie auf eine bestimmte Art und Weise zu kanalisieren. Tief verwurzelte emotionale Muster können auf frühere Erfahrungen, Erlebnisse und Beziehungen zurückgehen, die eine signifikante emotionale Bedeutung hatten.

Einige der häufigsten Motive für Mobbing sind:

  • Macht und Kontrolle: Belästigung, Erniedrigung oder Schikane anderer Personen oder Gruppen kann das Gefühl erzeugen, eine bestimmte Situation oder Angelegenheit zu kontrollieren. Hier sind die Täterinnen und Täter oft selbst in Machtkämpfe verwickelt, in denen sie versuchen, ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen auf Kosten anderer zu befriedigen.
  • Gruppenzwang und Gruppendynamik: Mobbing kann auch eine Form von Entwicklung einer Gruppenidentität sein. Wenn eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern beschließt, eine Person zu mobben oder zu belästigen, kann es für andere schwierig sein, sich dem Gruppendruck zu widersetzen.
  • Selbstwertgefühl: Mobbing und Cybermobbing kann eine Möglichkeit sein, das eigene Selbstwertgefühl zu steigern. Andere durch Herabsetzung in den Schatten zu stellen, kann das Gefühl vermitteln, die eigene Bedeutung zu erhöhen.
  • Frustration und Wut: Opfer von Mobbing dienen oft als Projektionsfläche für die negativen Emotionen von Tätern. Diese Übertragung kann auf Frustrationen, Ungerechtigkeiten, eigene Schwächen und Machtmissbrauch zurückzuführen sein.
  • Anonymität und Distanz: Beim Cybermobbing können Täterinnen und Täter meinen, aufgrund der Anonymität und der räumlichen Distanz, die das Internet bietet, keine Konsequenzen für ihr Handeln tragen zu müssen oder sich hinter Pseudonymen oder gefälschten Profilen zu verstecken. Dies kann dazu führen, dass sie sich freier und mutiger fühlen, als wenn sie ihren Opfern persönlich gegenübertreten müssten.

Diese exemplarische Auflistung verdeutlicht, dass nur durch fundiertes Verständnis der zugrunde liegenden psychologischen Mechanismen wirksame Strategien zur Bekämpfung von Mobbing und Cybermobbing und zur Förderung einer Kultur des Respekts und der Toleranz entwickelt werden können.

Schlussfolgerung

Mobbing ist ein Phänomen, das Kinder und Erwachsene betrifft und sich in vielerlei Formen manifestiert, darunter verbale, physische und soziale Aggressionen, die bewusst darauf abzielen, eine Person zu schikanieren, zu erniedrigen und zu isolieren. Die Folgen für Opfer sind oft schwerwiegend und können psychische und körperliche Gesundheitsprobleme, Schul- oder Berufsabbrüche und berufliche Schwierigkeiten umfassen.

Im institutionellen Umfeld liegt es in der Verantwortung der Pädagogen, Maßnahmen zu ergreifen, um Mobbing zu verhindern und zu bekämpfen. Es bedarf eines tiefgründigen Verständnisses der zugrunde liegenden Faktoren und Motivationen, die Mobbing begünstigen, sowie geeigneter Strategien und Interventionen, um Mobbing zu identifizieren und effektiv zu unterbinden.

Eine Schlüsselrolle spielt dabei, den Kindern und Jugendlichen zu helfen, Empathie und soziale Kompetenz zu entwickeln, um ein Umfeld des gegenseitigen Respekts und der Toleranz zu fördern. Durch eine enge Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern und anderen Fachkräften können wir eine umfassende und koordinierte Strategie zur Verhinderung von Mobbing entwickeln, um eine sichere und unterstützende Lernumgebung für alle Beteiligten zu schaffen.

Eine koordinierte Strategie gegen Mobbing an Schulen sollte auf den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Schüler basieren und konkrete Maßnahmen wie Sensibilisierung und Prävention, Früherkennung und Intervention, Empowerment der Opfer, Strafen und Konsequenzen sowie Zusammenarbeit mit Familien umfassen. Der zweite Text "Gemeinsam gegen Mobbing" gibt gezielte Handlungsempfehlungen, eine Liste von Ressourcen und Initiativen, konkrete Maßnahmen an, um Mobbing an Schulen zu bekämpfen.

Erfahren Sie mehr über Empfehlungen und Anlaufstellen für Schulen und Betroffene im zweiten Teil des Artikels!

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Mobbing in der Schule - Teil 2

Mobbing in der Schule - Teil 2

Gemeinsam gegen Mobbing: Empfehlungen und Anlaufstellen für Schulen und Betroffene.